Faszination Indien: Eine Reise der Gegensätze

Faszination Indien: Eine Reise der Gegensätze

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Unser dualer Student Jan hat in dem Rahmen eines Aufenthaltes im Produktmanagement 7 Wochen in unserem Einkaufsbüro in Indien verbracht. Was er dort erlebt hat und welche Eindrücke er sammeln konnte, beschreibt er in diesem Blogbeitrag.

Das duale Studium bei der FRICKE Gruppe bietet eine außergewöhnliche Chance: Die Möglichkeit, für 2-3 Monate ins Ausland zu gehen und Arbeitserfahrungen in einem neuen, oft spannenden Umfeld zu sammeln und hierbei neue Kulturen und Lebensweisen kennenzulernen. 2021 begann ich meine Reise im Produktmanagement bei GRANIT Parts als dualer Student und arbeitete hier unter anderem viel mit den Kollegen aus Indien, China, Polen und Italien zusammen. Da mir bereits damals besonders dieser Aspekt der Internationalität an der Arbeit im Einkauf gefällt, entsteht bei mir der Wunsch, meine Auslandsphase über das Produktmanagement in einem unserer globalen Einkaufsbüros zu verbringen. Schnell fiel hier der Fokus auf Indien – ein Land das mich bereits seit der Schulzeit fasziniert. Für sieben Wochen sollte ich die Möglichkeit bekommen, in eine neue Welt eintauchen und unsere Lieferanten und deren Produktion vor Ort kennenlernen.

Am Morgen des 11. März beginnt meine Reise ins große Abenteuer: Indien – ein Land, das bei uns oft mit speziellem Essen, chaotischem Straßenverkehr und heiligen Kühen assoziiert wird. Dass jedoch weit mehr hinter der Fassade des sich stark im Wandel befindenden Landes verbirgt, soll mir während meines Aufenthaltes eindrucksvoll bewusstwerden.  

Ein Land zwischen Aufbruch und großen Herausforderungen

Noch heute, wenn wir über das Land Indien nachdenken, werden vielen von uns vermutlich so einige Vorurteile, sei es zum Essen, der Hygiene, dem Verkehr oder auch zu dem Akzent der Inderinnen und Inder beim Englischsprechen in den Kopf kommen. Was vielen dabei nicht bewusst ist: Hinter der Fassade des bevölkerungsreichsten Landes der Erde verbirgt sich eine Nation, deren Entwicklung im vergangenen Jahrzehnt durchaus bemerkenswert ist.

Mehr als 1,4 Milliarden Menschen leben auf dem indischen Subkontinent, welcher sich aus 28 Bundesstaaten und 7 eigenständigen Unionsterritorien zusammensetzt. Mit den Staaten Haryana, Punjab, Uttar Pradesh, Tamil Nadu, Maharastra, Rajasthan und der Selbstverwaltungszone Delhi habe ich das große Glück, ganze sieben Staaten verstreut über das ganze Land während meines Aufenthaltes kennenlernen zu dürfen. Hierbei fallen mir schnell die kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten auf. Seien diese im Hinblick auf die Kleidung, die Musik, das Essen, die wunderschöne Architektur oder die Sprache – in Indien werden neben den Amtssprachen Hindi und Englisch über 19.000 weitere verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen – jeder Besuch eines neuen Staates stellt für mich ein eigenes kleines Abenteuer und viele neue spannende Eindrücke dar. Hierbei wird mir auch immer wieder die Aufbruchsstimmung bewusst, die im ganzen Land zu spüren ist.

Gerade gegen Ende meines Aufenthaltes Ende April, als die sechs Wochen andauernden Parlamentswahlen in der größten Demokratie der Welt beginnen, um Amtsinhaber Narendra Modi zumindest nach der Mehrheit der Inderinnen und Inder im Amt als Premierminister zu bestätigen, lerne ich immer wieder über das Erreichte der Regierung in den letzten Regierungsperioden. So befinden sich derzeit beispielsweise mehr als 150 Flughäfen in Bau. Die prominenteste Airline Air India hat 400 Flugzeuge bei den Herstellern Boeing und Airbus bestellt, um Indien zum Drehkreuz der Luftfahrt zu machen und auch das Straßennetz wurde seit 2015 um mehr als 40% vergrößert. Ganz zu schweigen von einer geglückten Mondlandung im Jahr 2023, die Indien zu dem vierten Land überhaupt erst macht, dem ein solches Ereignis gelungen ist. Knapp 6 Wochen nach meiner Abreise steht nun auch fest, dass die Bharatiya Janata Party (BJP) um Premierminister Modi die Wahl gewonnen hat, ohne dabei jedoch die absolute Mehrheit zu erhalten. Eine Überraschung, die bedingt, dass Indiens neue Regierung sich nach der Koalitionsbildung aus insgesamt 15 Parteien zusammensetzt.

Jedoch wird mir während meines Alltags auch immer wieder bewusst, dass die häufig angesprochenen Probleme des Landes nicht von irgendwo kommen. Überfüllte Straßen mit Kühen und Schlaglöchern mitten auf der Fahrbahn und keine wirklichen Verkehrsregeln bringen mich dabei neben Temperaturen von um die 40 Grad so manches Mal ins Schwitzen.

Besonders faszinierend finde ich die vielen Fabrikbesuche bei unseren Lieferanten, die wöchentlich anstehen. Hierbei lerne ich immer wieder neue Unternehmen und Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen kennen und erfahre viele spannende Details über die Produktionsabläufe verschiedenster Produkte. Immer wieder fällt mir auf, wie jung die Belegschaft der meisten Lieferanten ist. Dies ist nicht wirklich verwunderlich, hatte ich bereits im Voraus gelesen, dass knapp 70% der indischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren sind. Eine große demografische Dividende von der das Land zukünftig auf dem Weg zur drittgrößten Wirtschaftsnation der Erde durchaus profitieren kann.

Wenn wir nicht gerade Lieferanten besuchen, verbringe ich meine Arbeitstage in einem gut klimatisierten angemieteten Büroraum im fünften Stock einer Mall in Gurugram. Viele Unternehmen haben hier kleine Offices angemietet. Gemeinsam mit den fünf indischen Kollegen vor Ort bearbeite ich hier hauptsächlich Lieferantenanfragen und –angebote, führe Preisauswertungen durch, oder bereite mich auf anstehende Besuche vor.  Immer wieder fallen mir hierbei Unterschiede in der Arbeitsweise und Kommunikation im Team zwischen Indien und Deutschland auf. Ein weiterer Unterschied liegt zudem in den Arbeitszeiten. Beginnen die meisten Kollegen in Deutschland bereits morgens zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr, ist in Indien 10:00 Uhr eine allgemein verbreitete Startzeit auch um aufgrund einer Zeitverschiebung von 3,5 oder 4,5 Stunden je nach Jahreszeit eine Überschneidung der Arbeitszeit mit den internationalen Kollegen sicherzustellen.

Indiens Seele erleben: Eine Reise durch Kultur und Kulinarik

Meine freie Zeit nutze ich, um vollständig in die indischen Kulturen einzutauchen – eine besondere Chance, da ich mich schon seit längerer Zeit sehr für das Land und seine Kulturen interessiere. Hierbei besuche ich unter anderem mit unserem Kollegen Hitesh und seiner Familie das weltberühmte Taj Mahal und auch einen Ausflug in die „Pink City“ Jaipur, die bekannt für die pinke Bemalung ihrer Gebäude als Zeichen der Gastfreundschaft ist, lasse ich mir nicht entgehen. Immer wieder probiere ich mich unterwegs durch die indische Küche und kann dabei so einige traditionelle Gerichte für mich entdecken. Mein Favorit: Butterchicken mit Naan.

An den Wochenenden mache ich mich dann, zumeist auf eigene Faust, mit der Metro oder UBER auf den Weg ins Stadtzentrum von Delhi. Hier schaue ich mir mit dem Red Fort, dem Qutub Minar, Humayun´s Tomb und dem India Gate verschiedenste Bauwerke früherer Zeiten an, die alle ein Stück indischer Geschichte erzählen. Mit der Jama Masjid, Indien´s größter Moschee, dem hinduistischen Tempel Akshardham und dem Lotus Tempel besichtige ich zudem religiöse Stätten der am stärksten vertretenen Religionen im Land. Besonders der Besuch des Akshardham-Tempel, bei dem ich von Hitesh eine Menge über den Hinduismus lernen konnte – circa 80 Prozent der Inderinnen und Inder sind „Hindus“ – stellt für mich ein Highlight meines Aufenthaltes dar.

Die Besichtigung der Jama Masjid habe ich zudem auch mit dem Besuch der Region Chandni Chowk auf Empfehlung eines Einheimischen verbunden. Chandni Chowk ist die wohl größte Marktregion in Delhi, die für Gewürze, Schmuck und Kleidung in ganz Asien bekannt ist. Hier hatte ich die Möglichkeit, das erste Mal so richtig mit dem indischen Streetfood und dem berühmten Masala Chai in Berührung zu kommen und mich für die heimische Küche mit traditionellen indischen Gewürzen einzudecken.

Als Sportler war ich natürlich auch sehr gespannt, mehr über die Sportart Nummer 1 des Landes – Cricket – zu erfahren. Nach mehreren Briefings beim gemeinsamen Mittagessen und auf längeren Autofahrten, bot sich am letzten Wochenende vor meiner Abreise die besondere Möglichkeit, ein Spiel der TATA IPL live im Stadion in Delhi anzuschauen. War ich vorher immer der festen Überzeugung, dass Cricket eher zu den langweiligeren Sportarten zählt, durfte ich mich hier eindeutig eines Besseren belehren lassen. Zwar waren die Delhi Capitals den Hyderabad Sunrisers, einem der beiden späteren Finalisten des Turniers, chancenlos unterlegen – trotzdem war der Besuch des Spiels eine coole Erfahrung, vor allem da das Geschehen auf dem Platz durch die ausgelassene Stimmung auf den Zuschauerrängen fast ein wenig in den Hintergrund gerückt wurde.

Zwischen Tradition und Moderne: Eine Reise der Gegensätze

Da unsere Lieferanten in den verschiedensten Ecken Indiens niedergelassen sind, ergibt sich für uns immer wieder die Möglichkeit auch andere Städte Indiens wie Chennai und Mumbai zu sehen. Lustig hierbei: Die Kollegen sprechen bei der Stadt Chennai von einer kleineren Stadt – immerhin hat Chennai nur etwas mehr als 10 Millionen Einwohner. Die Stadt ist bekannt für seine großen Strände und Tempel, die mit tausenden von buntbemalten Figuren verziert sind - ein Anblick für den sich eine Reise nach Chennai definitiv lohnt.

Die für mich persönlich spannendere Stadt jedoch war Mumbai – ein Erlebnis über das ich wahrscheinlich einen eigenen Beitrag schreiben müsste, um die gesammelten Eindrücke vollständig zu schildern. Mumbai, mit knapp 20 Millionen Einwohnern nach Delhi mit circa 32 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Indiens, spiegelt für mich die in Indien vorhandene Schere zwischen Arm und Reich perfekt wieder. Auf der einen Seite faszinierende Gebäude in traditionellem kolonialistischen Baustil aus früheren Tagen der britischen Besetzung, das mit 27 Stockwerken teuerste Einfamilienhaus der Welt, das luxuriöse Taj Hotel, die Bahnhofstation Chhatrapati Shivaji Maharaj Terminus oder auch der schöne Ausblick am Marine Drive auf die Skyline der Stadt.

Für einen Großteil der Einwohner Mumbais sieht die Realität jedoch anders aus: Diese wohnen in Slums wie dem weltberühmten Dharavi, dem mit geschätzt einer Millionen Einwohnern offiziell größten Slum der Erde, mitten im Zentrum der Stadt und haben nur sehr begrenzten Zugang zu Wasser und Strom. Für mich persönlich ein Ort, den ich mir unbedingt persönlich ansehen musste, hatte ich bereits vorher viel zu Dharavi, dem Drehort des berühmten Filmes „Slumdog Millionär“, gehört und gesehen. Und auch die wohl größte Open-Air-Wäscherei Dhobi Ghat war für mich ein Ort, der ganz oben auf meiner persönlichen Sightseeing-Liste stand. Während meiner arbeitsfreien Zeit war es mir insgesamt besonders wichtig, eben auch jene Orte wie Dharavi oder Dhobi Ghat zu besichtigen, da diese das Land mindestens genauso ausmachen wie moderne Überseebrücken, neue Autobahnen, digitale state of the art Bezahlmethoden oder die hochmodernen CyberHubs in Gurugram und Bengaluru.

Time to say goodbye

Nach sieben Wochen und vielen prägenden Eindrücken war es am 26. April soweit: Der Rückflug nach Deutschland stand an. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Beteiligten aus dem Produktmanagement und der Personalabteilung zu bedanken, die dieses Abenteuer ermöglicht und mich bei der Organisation unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt den indischen Kollegen im IPO. Die gastfreundliche Aufnahme durch das Team und die große Motivation, mir eine detaillierte Übersicht über unsere Lieferantenlandschaft sowie das Land und seine Traditionen zu vermitteln, haben mir sehr geholfen, mich an das Leben in Indien zu gewöhnen und mich ein Stück weit anzupassen.

Indien habe ich als ein Land mit viel Potenzial kennengelernt, das auch zukünftig die Herausforderungen seiner großen Bevölkerung meistern muss. Die kräftigen Investitionen in die Infrastruktur des Landes lassen jedoch berechtigte Hoffnungen zu, dass die Chancen für einen anhaltenden Aufschwung nicht schlecht stehen. Daher bleibt es für mich spannend, die Entwicklung des Landes auch in den kommenden Jahren weiter zu beobachten und hoffentlich schon bald als Tourist zurückzukehren, um das Land mit seinen vielen Geheimnissen weiter zu erkundigen.

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